Vor einiger Zeit habe ich in einem Podcast über ADHS gehört, dass Menschen mit ADHS zwar grundsätzlich anfällig für alle Arten von Ablenkung sind, das aber besonders für auditive Reize gilt. Das kann ich persönlich bestätigen. Lesen, während jemand im Zug ein paar Plätze weiter telefoniert, ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Auch kleinere Nebengeräusche stören mich oft sehr beim Konzentrieren. „Weghören“ ist kaum möglich. Aber auch sehr laute Geräusche stören mich schnell. Als ich zu Beginn der Pandemie von zu Hause aus arbeiten musste und gleichzeitig in meiner Straße Bauarbeiten stattfanden, fühlte ich mich abends meistens völlig erschöpft. Nach einer Nacht in der Disco (das hat man damals zu Clubs gesagt), klingelten mir noch zwei Tage später die Ohren. Lange habe ich mir gesagt, ich soll mich nicht so anstellen, andere stecken das auch weg und damit meine Bedürfnisse einfach komplett ignoriert.
Als ich gelernt hatte, gnädiger zu mir selbst zu sein, kamen als erstes Active Noise Cancelling Kopfhörer in mein Leben. Ich bin in dieser Zeit ziemlich viel mit dem Zug gefahren und diese Kopfhörer waren wirklich eine Offenbarung. Man setzt sie auf, hört all die Zuggeräusche von sprechenden Mitfahrenden, Fahrgeräuschen und weinenden Kindern, aktiviert den Noise Cancelling Modus und hört: Stille. Eine wahre Wohltat. Natürlich bewirken die Dinger auch keine Wunder, einen ausgewachsenen Wutanfall bei einem Kleinkind zwei Plätze weiter hört man trotzdem, aber für die ganzen kleinen Geräusche sind sie wirklich hilfreich. Auch zu Hause nutze ich sie manchmal, wenn mich Geräusche wie ein laufender Fernseher im Nebenzimmer beim Lesen stören. Zusätzlich können die Kopfhörer, die ich habe, sich auch über ein Kabel oder Bluetooth mit anderen Geräten verbinden, so dass ich z.B. während der Zugfahrt auch entspannt einen Podcast oder Musik hören kann. Die Kopfhörer sind groß und werden bequem über den Kopf getragen, mir tun sie auch nach längerer Zeit nicht weh, weil sie ganz gut gepolstert sind. Ich nutze sie jetzt schon seit einigen Jahren, zweitweise täglich und sie halten sich gut. Die Marke heißt Taotronics, das genaue Modell (TT-BH40) scheint es aktuell leider nicht mehr zu geben.
Irgendwann später bin ich dann auf die Loop Earplugs gestoßen. Geworben wurde damit, dass diese Ohrstöpsel Geräusche filtern, aber nicht wie die Schaumstoff-Stöpsel, z.B. von Oropax, nur dämpfen. Musik oder Gespräche wären klar zu hören, Nebengeräusche und zu Lautes wird aussortiert. Ich war neugierig. Es gibt verschiedene Varianten, ich habe mir die Experience Version bestellt und bin auf ein Konzert gegangen. Und tatsächlich hat es bei mir so funktioniert wie beschrieben. Ich konnte die Musik gut verstehen und mich auch noch mit meinem Nachbarn unterhalten, ohne dass man sich ins Ohr schreien musste. Zum Test habe ich zwischendrin die Earplugs mal herausgenommen und es war mir sofort viel zu laut und die Musik war viel schlechter durch den Lärm in der großen Halle zu verstehen. Und vor allem: als ich wieder in meinem Bett lag, hatte ich kein Fiepen oder Klingeln in den Ohren, wie wenn ich früher aus der Disco kam. Ich habe sehr kleine Ohren, normale In-Ear-Kopfhörer passen bei mir nie, aber die Loops kamen mit vier verschiedenen Aufsatz-Größen und XS hat tatsächlich gepasst. Mittlerweile gibt es zusätzlich noch ein XXS-Set zu erwerben, das kostet dann aber extra.
Es gibt verschiedene weitere Varianten der Loop Earplugs. Ich habe mir noch die Quiet Variante zugelegt, die einfach alles ausblenden, wenn ich wirklich einfach mal meine Ruhe haben will, aber die großen Kopfhörer nicht dabei habe. Sie funktionieren wie die klassischen Oropax, passen aber auch in meine kleinen Ohren. Ich kann sie eine Weile gut tragen, mir aber nicht vorstellen, damit zu schlafen. (Und weil das Schlafen mit Ohrstöpseln auch aus anderen Gründen sowieso Quatsch ist.) Und weil ich zwischenzeitlich dachte, ich hätte meine Experience Loops verloren (Menschen mit ADHS wissen vermutlich, wovon ich spreche), habe ich mittlerweile auch die Version, die eher für laute Umgebungen und Gespräche, aber nicht so sehr für Konzerte oder Festivals geeignet sind. Als geräuschempfindlicher Mensch nutze ich diese Version auch mal in einem vollen Café, wenn ich mich in Ruhe unterhalten will.
Insgesamt hat sich durch die Möglichkeit, die Umgebungslautstärke herunterzuregeln, mein Leben deutlich verbessert. Wenn ich es will, kann ich trotzdem noch an Gesprächen oder Konzerten teilnehmen oder wahlweise meine Umwelt auch ganz „ausschalten“.
Disclaimer: Für diesen Bericht habe ich keine Gegenleistungen erhalten, alle Produkte wurden von mir selbst ausgewählt und bezahlt.